Die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien und der Trend zur Dezentralisierung machen Fernwärmenetze immer komplexer. Um Stadtwerke und Wärmeversorger bei der Umstellung auf CO2-freie Betriebsmodelle zu unterstützen, haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM das Simulationstool „AD Net Heat“ entwickelt. Die Software ermöglicht eine genaue Modellierung der Wärmeströme in Fernwärmenetzen und hilft, die Netzsteuerung effizienter und kostengünstiger zu gestalten.
Durch die Integration erneuerbarer Energien und die zunehmende Dezentralisierung wird das Fernwärmenetz dynamischer. Diese Veränderungen führen zu Schwankungen im Netz, die die Steuerung erschweren. Mit „AD Net Heat“ können die Forscher die Wärmeströme und den Bedarf an den Verbrauchsstellen in Echtzeit simulieren und vorhersagen. „Das erlaubt es, Lastspitzen zu unterschiedlichen Tageszeiten frühzeitig zu erkennen und auszugleichen“, erklärt Dr. Matthias Eimer, der das Projekt leitet. Damit liefert das Tool den Netzbetreibern wichtige Daten, um den Netzbetrieb zu stabilisieren.
Fernwärmesteuerung in Echtzeit
Grundlage der Simulation ist ein digitaler Zwilling des physischen Leitungsnetzes. In ihn fließen verschiedenste Parameter wie Netztopologie, Leitungsdaten, Einspeisepunkte, Wetterbedingungen und Verbrauchsprofile ein. Dieser digitale Zwilling ermöglicht eine präzise Modellierung der Dynamik des gesamten Netzes und liefert wichtige Kennzahlen, zum Beispiel zu kritischen Punkten in Randgebieten, den sogenannten Hotspots. So können kritische Betriebszustände frühzeitig erkannt und die Netzsteuerung in Echtzeit optimiert werden.
Der digitale Zwilling benötigt nur wenige Sensoren, um die Simulationsergebnisse zu kalibrieren und zu validieren. Diese Sensoren messen unbekannte Parameter, wie zum Beispiel die alterungsbedingte Veränderung von Rohrmaterialien. Das System ist so konzipiert, dass es in der Praxis mit einem Minimum an Sensorik auskommt und dennoch zuverlässige Daten für die Netzsteuerung liefert.
Für Betreiber von Fernwärmenetzen bietet „AD Net Heat“ zahlreiche Vorteile: Durch die exakte Simulation der Wärmeströme können ungenutzte Energiequellen effizienter eingebunden werden, so dass teure Energieträger seltener zugeschaltet werden müssen. Zudem können die Vorlauftemperaturen optimiert werden, was Energieverluste reduziert, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Auch die Planung großer Wärmebedarfsspitzen, wie sie beispielsweise bei Veranstaltungen auftreten, lässt sich mit der Software gezielt steuern.
Hilfe bei der Planung neuer Netze
„AD Net Heat“ unterstützt nicht nur den Betrieb bestehender Netze, sondern auch die Planung neuer Fernwärmesysteme. Die Software hilft Planungsbüros dabei, verschiedene Szenarien durchzuspielen, etwa die Platzierung von Energieerzeugern und die Berechnung der Wärmeverteilung. „Damit machen Stadtwerke und Fernwärmeversorger einen großen Schritt in Richtung klimaneutraler, ressourcensparender Wärmeversorgung“, sagt Dr. Eimer. Durch die genaue Bedarfsprognose lassen sich zudem Materialkosten senken, da die Rohrquerschnitte in vielen Fällen kleiner ausgelegt werden können.
Derzeit arbeiten die Fraunhofer-Forscher daran, die Benutzeroberfläche von „AD Net Heat“ weiter zu optimieren und für Anwender wie Wärmeversorger und Planungsbüros noch benutzerfreundlicher zu gestalten. In Zukunft könnte das Modell auch für die Simulation anderer Energiesysteme wie Strom- oder Gasnetze angepasst werden. (kec)
Weitere Informationen:
https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2025/januar-2025/simulat…