Show-Effekt ohne Wirkung

Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Magnus Hall, Vorstandschef von Vattenfall drücken auf den symbolischen roten Knopf.

Ein neues Steinkohlekraftwerk hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall in Hamburg-Moorburg offiziell eingeweiht. Ein Grund zum Feiern ist das aber nicht.

Gemeinsam mit Vattenfall-Vorstandschef Magnus Hall und Tuomo Hatakka, Vorsitzender der Geschäftsführung der deutschen Vattenfall GmbH, hat Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz am 19. November das Steinkohlekraftwerk Moorburg im Hamburger Hafen eingeweiht. Zusammen betätigten die Drei symbolisch einen roten Knopf. Passiert ist danach nichts. Der wirkungslose Show-Effekt ist durchaus charakteristisch für dieses umstrittene Kraftwerksprojekt.

Luftbild Kohlekraftwerk Moorburg an der Süderelbe

Der Neubau des Kohlekaftwerks Hamburg-Moorburg hat 3 Mrd. Euro gekostet. Bild: Vattenfall

Zum offiziellen Festakt war das 3 Mrd. Euro teure Kraftwerk offline. Block B, der ursprünglich still und leise Ende Februar nach einjährigem Probebetrieb in den kommerziellen Regelbetrieb übergegangen war, war für die Jahresrevision vom Netz genommen worden. Auch Block A, der Ende August dieses Jahres nachzog, lief am offiziellen Eröffnungstag nicht. Sturmtief Ivan sorgte indes für hohe Windkrafteinspeisungen in Norddeutschland. Die Metropolregion war deshalb auf die Kohleverstromung in Moorburg gar nicht angewiesen. Der zuständige Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz hatte das Kraftwerk deshalb in den Stillstand geschickt. Die Situation ist typisch für den neuen Kohle-Meiler an der Süderelbe. Für Vattenfall ist Moorburg wohl die letzte Investition in ein fossiles Großkraftwerk gewesen, erklärt Vattenfalls Kommunikationschef Stefan Müller am Rande der Veranstaltung.

Kraftwerk Moorburg heftig umstritten

Mit dem Projekt im Hamburger Hafen hat sich der schwedische Energiekonzern wahrlich schwergetan. Vor elf Jahren begann die pannenreiche Projekt- und Bauphase, die nun mit der Einweihung abgeschlossen werden konnte. Probleme an den Schweißnähten der Kessel und strengere Auflagen zur Kühlwasserentnahme aus der Elbe warfen die Zeitplanungen immer wieder zurück. „Die Entscheidung, während der Bauphase zusätzlich noch einen Hybridkühlturm zur errichten, kam einer Operation am offenen Herzen gleich“, meinte Projektleiter Udo Gade rückblickend auf der Eröffnungsfeier. Mit dem neuen 200 Mio. Euro teuren Hybridkühlturm kann Vattenfall das neue Kraftwerk nun ganzjährig betreiben. Andernfalls hätte die Anlage an durchschnittlich 250 Tagen im Jahr gedrosselt werden müssen. Die Umweltvorschriften an die Wassertemperaturen oder den Sauerstoffgehalt der Elbe hätten eine Kühlwasserentnahme deutlich eingeschränkt.

Doppelt so groß, wie geplant

Ursprünglich wollte Vattenfall das neue Kraftwerk als GuD-Anlage bauen, das Kraftwerksprojekt wurde dann aber immer mehr zum Spielball der Hamburger Politik. Dies deutete auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz in seiner Eröffnungsrede an: „Auf den Weg gebracht von einem CDU-Regierungschef, genehmigt von einer grünen Umweltsenatorin und eingeweiht von einem sozialdemokratischen Bürgermeister. Mehr geht nicht.“ Es geht auf das Drängen des damaligen von Ole von Beust (CDU) geführten Senats zurück, dass aus dem geplanten Gaskraftwerk ein Kohle-Meiler wurde. Dieser wurde – ebenfalls auf Intervention der früheren Stadtregierung – als Doppelblockanlage gebaut. Die beiden Kohleblöcke leisten jeweils 827 MW. Damit kann das Kraftwerk jährlich rund 11 Mrd. kWh Strom erzeugen. Eine Menge, mit der der Strombedarf in Hamburg nahezu vollständig gedeckt werden könnte. In Zeiten wachsender Solar- und Windstromeinspeisungen schießt diese Größenordnung aber weit über das Ziel hinaus. Die Energiewende sorgt dafür, dass sich das Großprojekt nun seine Nische suchen muss. Die Betreiber setzen deshalb auf Flexibilität. Moorburg wird seinen Strom vorwiegend auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz liefern, muss also seine Erzeugungsleistung flexibel absenken oder erhöhen. Innerhalb von 15 Minuten kann die Leistung des Kraftwerks 600 MW hoch oder runtergefahren werden. Dies entspricht der Leistung von rund 200 Windrädern.

Mit Flexibilität volatile erneuerbare Energien ergänzen

Kohlekraftwerk Moorburg an der Süderelbe

Das umstrittene Kraftwerk Moorburg hat strenge Umweltauflagen für die Kühlwasseraufnahme bekommen. Foto: Bengt Lange/Vattenfall

„Das Kraftwerk Moorburg ist wichtig, weil es zur Netzstabilität beiträgt und weil beim weiteren Ausbau der regenerativen Energien die unvermeidliche Volatilität zum Beispiel des Windangebots ausgeglichen werden kann“, unterstrich Scholz. Vattenfalls Vorstandschef Magnus Hall verwies dagegen auf die wirtschaftliche Bedeutung des Großkraftwerks für Hamburg. „Etwa zwei Drittel des Hamburger Strombedarfs entfallen auf Industrie- und Gewerbebetriebe, die viele Arbeitsplätze in Hamburg sichern.“ An der Elbe sind viele stromintensive Betriebe auf eine verlässliche und kostengünstige Stromversorgung angewiesen. Zusammen verbrauchen die Kupferhütte von Aurubis, das Stahlwerk von Arcelor-Mittal oder das Trimet-Aluminiumwerk rund 7,6 Mrd. kWh Strom im Jahr. Sie sind damit die damit größte Abnehmer des Stroms aus dem Moorburger Kraftwerk. Hinzu kommen der Hafen und das Airbus-Werk in Finkenwerder, die ebenfalls große Verbrauchsschwerpunkte darstellen. „Mit dem Kraftwerk Moorburg als rund um die Uhr verfügbare Anlage muss sich die Wirtschaft in Hamburg keine Sorgen um eine sichere Energieversorgung machen“, verdeutlichte Konzernchef Hall.

Wirtschaftlich fragwürdiges Projekt

Sorgen um die Wirtschaftlichkeit muss sich hingegen Vattenfall selbst machen. Ein Drittel der Investitionskosten hat der schwedische Energiekonzern bereits abgeschrieben. Bei der Eröffnungsfeier wird Deutschland-Chef Hatakka nicht müde, die Vorzüge des neuen Kraftwerks zu bekräftigen. „Das Kraftwerk Moorburg gehört zu den umweltverträglichsten und effizientesten Steinkohlekraftwerken in Europa. Der hohe Wirkungsgrad von 46,5 Prozent könnte bei Auskopplung von Fernwärme sogar auf rund 60 Prozent erhöht werden“, sagte Hatakka und wandte sich damit indirekt auch an Scholz. Eine geplante Fernwärmetrasse von Moorburg in die Verbrauchsschwerpunkte im Norden der Stadt ist nicht genehmigt worden. Die Vorkehrungen für eine Fernwärmeauskopplung sind im Kraftwerk aber bereits vorgesehen. Vorerst bleibt Vattenfall nichts anderes übrig, als seine neue Anlage weiter zu flexibilisieren. Nur wenn die Anlage noch besser auf die schwankenden Einspeisungen von Strom aus erneuerbaren Energien reagieren kann, ist Vattenfall in der Lage mit dem Kraftwerk Geld zu verdienen. Die Arbeiten dafür laufen bereits. Eine sichere Bank sind fossil befeuerte Großkraftwerke dagegen im Land der Energiewende nicht mehr.