Überraschend hat der neue Vertragsentwurf in Paris Rückenwind bekommen. Mehr als 100 Staaten setzen sich als High Ambition Group jetzt für ein starkes Klimaabkommen ein.
Es ist wohl einer dieser Momente, die im Rückblick als historisch bezeichnet werden. Tony de Brum, Außenminister der Marshall-Inseln, schreitet zur Pressekonferenz und bringt, wie er sagt, ein paar „gute Freunde“ mit. Am Ende sitzen neun Minister und Delegierte auf der Bühne und sprengen fast das Podium. „Wir sind eine Allianz von reichen und armen Ländern, großen und kleinen Staaten und wir werden kein minimalistisches Abkommen akzeptieren“, erklärt de Brum. Gambias Außenminister Pa Ousman Jarju fügt hinzu: „Wir sind hier, um Geschichte zu schreiben“. Einig sind sich die Mitglieder der neuen Allianz darin, dass der vorgelegte neue Vertragsentwurf noch nicht ausreichend ist. „Wir sind die Koalition der Ambitionierten“, unterstreicht EU-Energie- und Klimakommissar Miguel Arias Cañete und zeigt sich erfreut, dass auch die USA der neuen Koalition beigetreten sind. Bereits einen Tag zuvor hatte die EU ihre Zusammenarbeit mit 79 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten erklärt.
Die neuen Allianz, sind nun neben der EU auch die USA Mexiko, Kolumbien und Norwegen beigetreten. Insgesamt haben sich mehr als 100 Staaten zur High Ambition Coalition vereint. Damit ist sie tatsächlich die größte Allianz, die sich in der Geschichte der internationalen Klimaverhandlungen gebildet hat. Die Vorstellungen für ein neues Klimaabkommen haben die Koalitionäre klar definiert: Ein eindeutiges Langfristziel für den Klimaschutz, turnusmäßige Überprüfungen der nationalen Klimaschutzpläne im Fünf-Jahres-Zyklus und ein einheitliches System zur Überprüfung der CO2-Reduktion. Zudem soll es einen Verweis auf ein neues Ziel geben, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.
„Genau das, was wir jetzt brauchen“
„Die Koalition der hohen Ambitionen ist genau das, was wir jetzt brauchen“, macht US-Chefunterhändler Todd Stern klar. Wenige Stunden zuvor hatte Außenminister John Kerry angekündigt, dass die USA ihre Ausgaben für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ab 2020 auf dann 800 Mio. US-Dollar verdoppeln werden. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks erklärte: „Ich bin stolz, Teil dieser Allianz zu sein.“ Von Anfang an habe sie ihren Freund de Brum beim Aufbau der neuen Allianz unterstützt. Schon im Sommer habe es diesbezüglich erste Gespräche gegeben.
Der von der französischen COP21-Präsidentschaft am Nachmittag vorgelegte Textentwurf sei „ein wichtiger Schritt nach vorn, aber noch längst nicht so, wie er am Ende sein muss“, unterstreicht Hendricks im Anschluss an die Pressekonferenz der High Ambition Coalition vor deutschen Journalisten. Bis zu einer Einigung würden noch sehr lange und sehr intensive Verhandlungen notwendig sein. „Für mich ist entscheidend, dass wir ein wirklich anspruchsvolles Abkommen vereinbaren, mit dem wir den Klimawandel tatsächlich wirkungsvoll begrenzen können“, so Hendricks. Sie stellte sich auf eine lange Verhandlungsnacht ein.
Klimafinanzierung und Dekarbonisierung weiter umstritten
Der neue Textentwurf verknüpft künftige Anstrengungen der Entwicklungsländer mit den Vorleistungen die Industriestaaten. Umstritten ist aber immer noch die Frage, welche Staaten ab 2020 wie viel Geld für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen sollen. Bislang hatten sich die Entwicklungsländer geweigert, ebenfalls einen Beitrag zur Klimafinanzierung zu leisten. Nach Ansicht von Gambias Außenminister Jarju sollten nun aber die Staaten „die in der Lage sind, mehr zu tun, dies auch tun“. Dies würde vor allem die reichen Entwicklungsländer, wie die Ölförderländer dazu verpflichten, sich an der Klimafinanzierung zu beteiligen. Denen wiederum liegt allerdings ein weiteres Langfristziel des neuen Vertrages schwer im Magen. Bis zum Ende des Jahrhunderts müssten sie im Zuge der Dekarbonisierung vollständig auf Kohle, Gas und Öl verzichten. Ein solcher Schritt ist mit Ländern wie Saudi Arabien oder Venezuela wohl kaum umsetzbar. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius kündigte für die Nacht zum 10. Dezember lange Gespräche an, die auch am Tag fortgesetzt werden sollen. Ziel sei es „schnell Kompromisse zu finden“. An seinem Zeitplan, bis zum Freitag eine Einigung zu erzielen, will Fabius weiter festhalten.