Handlungsauftrag für globale Energiewende

Der Pariser Klimavertrag ermöglicht eine Zeitenwende, wenn die Beschlüsse des UN-Klimagipfels politisch umgesetzt werden. Beobachter reagieren geradezu euphorisch, dennoch mischen sich auch kritische Stimmen in den Tenor.

„Verstand und Moral sind auf der COP21 zusammengeführt worden zu einem historischen Klimaabkommen, das endlich über nationale Egoismen hinausgeht“, kommentierte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK). Das Ziel, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten und 1,5 Grad anzusteuern, sei ambitionierter als erwartet. Dies entspreche aber in vollem Umfang der wissenschaftlichen Abschätzung der Risiken, sagte Schellnhuber.

Eine Einschätzung, die auch Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre, teilt. Den Pariser Vertrag sieht der schwedische Wissenschaftler als „bedeutenden Durchbruch für den Klimaschutz“. Als „einen großen Schritt nach vorne, der mit wissenschaftlichen Erkenntnissen einhergeht und eine Grundlage dafür bildet, die Welt in die richtige Richtung anzustoßen“, bewertet Rockström die Ergebnisse. Zu einer gänzlich anderen Bewertung kommt der Kieler Klimaforscher Mojib Latif. Man habe sich in Paris lediglich auf „den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können“, ließ der Direktor des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik im Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung wissen. In dem neuen Abkommen bleiben seiner Meinung nach „viele Fragen offen“. Er bemängelt, dass einige Aussagen des Pariser Abkommens zu viel Spielraum ermöglichen und zu wenig Konkretes enthalten. Es gebe nur die Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder. Mit deren Zielen sei die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad aber nicht zu schaffen. Auch spiele die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft, das erklärte Ziel des G7-Treffens von Elmau, im neuen Klimaabkommen kaum mehr eine Rolle. Immerhin als Erfolg bewertet Latif, dass es überhaupt einen Vertrag gibt, in dem „die Staatengemeinschaft die Dramatik des Klimawandels anerkennt und die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzen möchte“.

Tatsächlich fixiert das Pariser Klimaabkommen ein unerwartet ambitioniertes Ziel. Die Erderwärmung soll auf „deutlich unter zwei Grad“ begrenzt und der Temperaturanstieg möglichst sogar bei 1,5 Grad gestoppt werden. Das ist das wichtigste Signal des Klimagipfels, mit dem vor Beginn der Verhandlungen wohl nur die wenigsten gerechnet haben. Fest steht, dass der angepeilte Weg nicht einfach wird. Unklar bleibt, wie dieses Ziel konkret erreicht werden kann. In den so genannten INDC (Intended Nationally Determined Contributions) müssen die Staaten ihre freiwilligen Maßnahmen zur Bekämpfung und zur Anpassung an den Klimawandel festschreiben. Mit den zurzeit vorliegenden INDC steuert die Erde auf eine Erwärmung von 2,7 bis drei Grad zu.

Pariser Klimavertrag ermöglicht Erneuerbaren Energien den Durchbruch

Es sind deshalb wesentlich größere Emissionsminderungen erforderlich, sonst wäre schon das Zwei-Grad-Ziel nicht einzuhalten. Die Emissionen dürfen laut dem neuen Klimaabkommen 40 Mrd. Tonnen im Jahr 2030 nicht übersteigen. Die Nennung konkreter Zahlen zur Emissionsreduktion ist ein Novum im globalen Klimaschutz und verdeutlicht, wohin die Reise gehen muss. Dennoch sehen die beiden Klimaforscher Latif und Rockström eine Schwäche im Klimavertrag darin, dass die Klimadiplomaten kein konkretes qualitatives Langfristziel zur Emissionsminderung von 80 bis 100 Prozent bis 2050 festgeschrieben haben. Immerhin sei aber mit der Festlegung auf eine verbindliche Begrenzung der Erderwärmung klar, dass die Staatengemeinschaft bei den energiebedingten Emissionen jetzt möglichst früh umsteuern muss. In letzter Konsequenz heißt das, aus den fossilen Energien auszusteigen.

Der Klimavertrag von Paris kann den Umbau der Energiesysteme beschleunigen und den erneuerbaren Energien endgültig zum Durchbruch verhelfen. Schon in den vergangenen Jahren profitierten sie von den Kostensenkungen und verzeichneten weltweit einen deutlichen Aufschwung. In der Präambel des neuen Klimaabkommens wird die „notwendige Förderung des universalen Zugangs zu nachhaltiger Energie in Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika“, unterstrichen. Ein wichtiges Signal sollen auch die Finanzmärkte aussenden. Der Divestment-Bewegung beschert der Klimagipfel neuen Rückenwind. Im vergangenen Jahr hatten sich immer mehr große Finanzinvestoren von den fossilen Energien abgewandt. Mit einer Beschleunigung dieses Trends könnte nun der nötige Systemwechsel vollzogen werden. „Wer jetzt noch neue Kohlekraftwerke baut, schließt die Tür zum Zwei-Grad-Ziel“, mahnt denn auch Ottmar Edenhofer, Chef-Ökonom des Potsdamer PIK. In dem Pariser Abkommen sieht er „einen Durchbruch“. Nun hänge das Schicksal der Erde davon ab, „wie schnell und stark politische Instrumente umgesetzt werden“, so Edenhofer.